03. August – In der Schleusenhölle...


Auch heute ließ sich die Sonne nicht locken. Aber es sollte weitergehen. Wir wollten unseren ersten intensiven Schleusentag hinter uns bringen, um in Norrsholm zu landen.


In einer sehr angenehmen Dreiergruppe starteten wir um 11.15 Uhr in die ersten Schleusen.

Jeder half jedem und von einer Seite zur anderen wurde hin und hergewitzelt.

Alle hatten viel Spaß, weil sich jeder an die empfohlene Vertäuungsmethode hielt.

Ich erklär das mal kurz:

Man nimmt eine gaaaanz lange Leine (30m) und führt diese von einer Winsch (Winde) im Cockpit über einen Block (Umlenkrolle) am Bug außenbords. Diese Leine wird in der Schleuse so weit vorn, wie es geht, an einem Ring festgemacht. Eine weitere Leine wird hinten, quasi direkt über der Festmacherklampe, an einem Ring in der Schleuse festgemacht.

Wenn jetzt das Wasser in die Schleuse einströmt und das Boot nach oben steigt, kurbelt man an der Winsch und verkürzt die vordere Leine.


So bleibt das Boot immer an der Schleusenwand. Der Bug kann durch die Wassermassen von vorn nicht von der Schleusenwand abgetrieben werden.

Das Heck bleibt trotz der Unterströmung, die von hinten sehr, sehr stark setzt, ebenfalls an der Schleusenwand.

Niemals (!!!!), nie (!!!!!!!!) darf man die hintere Leine lösen, um sie nachzuziehen, weil das Heck dann sofort von der Schleusenwand abgetrieben wird. Diese Kraft kann kein Mensch halten.

Nebenbei bemerkt, ist es auch völlig unsinnig die Leine zu lösen, weil man ja über die Winde, die Spannung auf der gesamten Vertäuung hält.

Die besten (ruhigsten) Plätze beim Schleusen sind hinten und die schlechtesten Plätze sind vorn. Deshalb kommen die größeren Boote in der Regel nach vorn und die kleineren nach hinten.

Jetzt wisst Ihr alles über das Hoch-Schleusen im Götakanal.

Es ist eigentlich eine sehr einfache und simple, wenig interessante Angelegenheit und trotzdem sind die Schleusen die (!) Touristenattraktion.

Damit das Schleusen für die Touristen nicht zu langweilig wird, streut die Kanalverwaltung so genannte "Trouble-Boats" in die "Schleusen-Gangs" (eine Gruppe von vier Booten, die gemeinsam den Schleusengang bestreiten).

Diese "Troubleboats" sind vorzugsweise große, schwere Yachten. Diese werden regelmäßig mit Skippern mit Profilneurosen und Hand-Auge-koordinationsgestörten Vorschiffsleuten bemannt.

Der Schleusenverwaltung muss aufgefallen sein, dass wir in unserer Schleusengang wirklich Spaß hatten. Das durfte nicht sein!

So wurden wir und ein weiteres Boot aus unserer Gruppe, mit der Begründung: "In der Gruppe vor Euch sind noch zwei Plätze frei und wir brauchen noch ein schmales Boot!", entrissen.

Ihr könnt Euch denken, wessen Boot das schmale Boot war?

Riiiicccchhhhttttiiiiiiiiiiccchhh! Skrollan!

Und so kamen wir an: im Headbangers-Ballroom.

Natürlich mussten wir in den vorderen Platz, weil der freundliche Däne, der sich schon in der Schleuse befand und von dem ich noch berichten werde, nicht in der Lage war, seine Fender (Stoßdämpfer) innerhalb der halben Stunde umzuhängen, bis wir zu der Gruppe aufgeschlossen hatten.

Wir fuhren in die Schleuse ein und lagen neben einer schwedischen 42 Fuß Bavaria in der Pole-Position.

Schaut Euch das Bild an:


Ich fragte den anderen Skipper, ob er vielleicht noch ein paar Fender auf unsere Seite heraushängen könnte, falls es etwas unruhig werden würde.

Er sagte mir, er habe nur noch diesen einen.....

Na! Das ging ja gut los!

Der erste Schleusengang startete und die wüstesten Vorstellungen wurden über den Haufen geworfen.

... Neben Skrollan fingen 14m und ca 8 Tonnen an zu tanzen.

Der Mann hatte sein Boot nicht unter Kontrolle.

Um es kurz zu machen.

Innerhalb der nächsten Schleusen löste er mehrfach die Heckleine, um diese nachzuziehen. Welche Folgen das hat, beschrieb ich bereits oben. Er knallte mehrfach hart in die Schleusenwände. Er brauchte Ewigkeiten, um das Boot festzumachen...

Er rammte, trotz Bugstrahlruders (eine Vorrichtung mit der der Bug in die gewünschte Richtung gedrückt werden kann) beim Ausfahren das Schleusentor.

...und dann trank er zur Entspannung das eine oder andere Bier.

Nach dem zweiten Lösen der Heckleine, platzte mir der Kragen und ich schrie ihn an, dass er den "Sch..." endlich lassen soll und anfangen an der Winsch zu kurbeln.

Erstaunlicherweise begann er erstmalig mit dem Kurbeln und war verwundert, wie ruhig sein Schiff lag.

Der Typ schien die wirklich einfache Beschreibung im Kanal-Journal nicht verstanden zu haben.

Die Familie, mit der wir in diese Gruppe hinzukamen, konnte auch kaum glauben, was da vor sich ging.

Trotzdem hatten, zumindest wir und die Familie, unseren Spaß.

Ich unterhielt mich sehr nett in den Wartezeiten mit der Frau.

Als wir wieder wegen unseres Bavaria-Nachbarn auf das Ausfahren warten mussten, fragte mich die Frau, warum der denn auf unserer Seite nur einen Fender ausgebracht hätte. Ich sagte Ihr, er habe keine weiteren... und dann genossen wir, während das Schiff an uns vorbeifuhr, einen Blick auf die andere Seite der Bavaria.

Da hatte der Typ: 12... in Worten: zwölf! Fender ausgehängt (5 sind empfohlen)...kein Wunder, dass der für die andere Seite keinen mehr übrig hatte!

Wir schauten uns an und konnten uns vor Lachen kaum wieder einfangen.

Die dänische Crew zeichnete sich dadurch aus uns immer in der Schleusengasse zu überholen und mit seinem schwedischen Kollegen die Geschwindigkeitsbegrenzung zu überschreiten, um dann vor den Brücken warten zu müssen, weil die auf den 5 kn-Takt fernbedient werden.

Trotzdem kamen wir ohne Schäden in Norrsholm an und warteten auf Tony und Andreas.

Die hatten ein ähnliches Erlebnis. Allerdings noch extremer. Ihre Schleusengang wurde auch aufgebrochen und die beiden durften neben einem riesigen holländischen Stahlkutter in der Pole-Position Platz nehmen.

Während unser Albtraum wenigstens das Kanalmagazin gelesen haben muss, hatte der Holländer sich diese Mühe nicht gemacht.

Er löste, zur Freude aller, mehrfach die Heckleine und 10 t Stahl befanden sich im Freiflug durch die Schleuse, so dass der Schleusenvorgang gestoppt werden musste.

Leider kann ich Euch Tonys amüsante Erzählungen hier nicht darstellen. Er sorgte, durch die bei uns ausgelösten Lachanfälle, für reichlich Atemnot.

Höhepunkt seiner Erzählung war die Beschreibung des verärgerten Gesichts der holländischen Vorschiffsfrau, die, durch das KA-BBBOOOOOOOOOIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIINNNNNGGGGG des Einschlagens ihrer 10 t Stahl in die Schleusenwand, sich beim Telefonieren gestört fühlte.

Hier noch ein paar Bilder